Dieter Glawischnig © Simon Attila
"Der 1938 in Graz geborene Dieter Glawischnig ist eine Ikone des europäischen Jazz, der den Alten Kontinent als Musiker, Komponist und Ensembleleiter geprägt hat. Durch die britische ‚Besatzung‘ ist er schon in der Nachkriegszeit mit Jazz in Berührung gekommen und wurde bald zu einem der wichtigen Proponenten der lokalen Szene. Ab den 1970-er schuf er mit seinem Trio ‚The Neighbours‘ eine europäische Variante des amerikanischen Freejazz. Als junger Künstler vor allem von der Blüte des Loft-Jazz inspiriert, verlässt der klassisch ausgebildete Musiker den Opernbetrieb und wird Leiter der NDR-Bigband, die er zu einem der wesentlichen Formationen Europas geformt hat. Glawischnig ist nicht nur als komponierender Improvisator, sondern auch als Komponist in Erscheinung getreten. Zahlreiche Werke für Besetzungen aller möglichen Größen sind Ausdruck für diese enorme Schaffenskraft, in der Kammermusik und Jazz originell in Bezug gesetzt werden. Nicht zuletzt seine großformatigen Gemeinschaftsarbeiten mit österreichischen Avantgarde-Literaten, gehören in ihrer stilistischen Offenheit und Vielfalt zu den bedeutenden Werken bzw. Programmen für Jazzensemble: ‚Laut und Luise‘ und ‚Aus der Kürze des Lebens‘ mit Ernst Jandl, ‚Die dunkle Seite des Würfels‘ mit Gunter Falk oder ‚Es war Einmal. Und wenn sie nicht‘ nach Grimm-Märchen. In Dieter Glawischnigs imponierenden Oeuvre nimmt der avantgardistische Geist der Nachkriegsmoderne auf einmalige Weise Gestalt an, es ist bis in die Gegenwart von Aufbruchsstimmung und Neugier geprägt und ruht auf einer genauen Kenntnis der Tradition."
Martin Gasser (2024): Großer Interpretationspreis und Andrzej-Dobrowolski-Kompositionspreis des Landes Steiermark 2024 vergeben, abgerufen am 19.11.2024 [https://www.news.steiermark.at/cms/beitrag/12949277/29771102/]
Dieter Glawischnig begann seine musikalische Karriere 1963, nach seinem Studium an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz, als Posaunist ohne Festanstellung in der ORF-Big Band. Danach war er in der Grazer Oper als Korrepetitor tätig. Von 1968 bis 1975 leitete der gebürtige Grazer die Jazzabteilung der Musikhochschule Graz. Anschließend führte ihn sein Weg nach Hamburg, wo er die Leitung der NDR-Studioband übernommen hat, die er im Laufe der Zeit zu einer Big Band weiterentwickelte. Ab 1982 war Glawischnig an der Hamburger Musikhochschule tätig, wo er nach Grazer Vorbild eine Jazzabteilung aufbaute.
Ohne die Tradition der großen Vorbilder seit der Swingzeit zu vernachlässigen, gilt Dieter Glawischnigs Hauptinteresse den zeitgenössischen künstlerischen Ausdrucksformen des Jazz und der improvisierten Musik.
Auszeichnungen
2024 Amt der Steirischen Landesregierung: Andrzej-Dobrowolski-Kompositionspreis
Ausbildung
Universität für Musik und darstellende Kunst Graz: Klavier (Erich Rabensteiner), Theorie (Bloch Waldemar), Trompete, Posaune, Dirigieren (Heider Max)
1967 Monte Bello, Nizza: Dirigierkurse an der Sommer-Akademie Österreicher Karl
1968 - 1970 Siena Accademia Chigiana: weitere Dirigierkurse (Peter Maag)
1969 - 1970 Berklee College of Music Boston - USA jeweils im Sommer Kurse (Herb Pomeroy, Ted Pease, Ray Santisi, Phil Wilson)
Besuch mehrerer wichtiger Jazz-Ausbildungsstätten an Colleges und Universitäten
Tätigkeiten
1968 - 1972 Universität für Musik und darstellende Kunst Graz Graz Lehrtätigkeit (Seminare für Jazzpraxis, Professur als "Lehrkanzel" für Jazztheorie)
1969 - 1974 musikwissenschaftliche Tätigkeit, z.B. Mitherausgeber der Publikationen der Internationalen Gesellschaft für Jazzforschung/IGJ
1982 Hochschule für Musik und Theater Hamburg (Deutschland) Professur für Jazz und jazzverwandte Musik
1985 Hochschule für Musik und Theater Hamburg (Deutchland) Installierung eines selbständigen Fachbereichs
zahlreiche Seminare, Workshops und Vorträge (z.B. am Institut für Neue Musik und Musikerziehung Darmstadt)
Juror verschiedener Jazzwettbewerbe
Konzerte und Rundfunkproduktionen in vielen europäischen Ländern
Gründung mehrerer Ensembles
Tätigkeiten im klassischen Bereich sowie als Jazzpianist, -komponist und -Orchesterleiter
Mitglied in den Ensembles/Bands
2022 [Quintett Feichtmair/Glawischnig/Herbert/Resnik/Kušar]: Pinist (gemeinsam mit Tanja Feichtmair (Saxophon), Peter Herbert (Kontrabass), Cene Resnik (Tenorsaxophon), Urban Kušar (Schlagzeug, Perkussion))
Diskografie
Mit Neighbours:
- 1986: Neighbours Movements: mit Michael Stuart, Mike Lucas, GNM Vol.IV, Toronto 1986
- 1984: Neighbours: mit Anthony Braxton; GNM Vol.III, 1984
- 1980: Great Neighbours Music, GNM Vol.I, II
- 1977: Neighbours Accents, mit Fred Anderson Bill Brimfield, EMI-Electrola
Als Orchesterleiter:
- 1995: Ernst Jandl/Dieter Glawischnig "Laut und Luise", "Aus der Kürze des Lebens", Hat Hut
- 1991: Franco Ambrosetti - Music for Symphony and Jazz Band, Radiophilharmonie Hannover (Enja Records)
- 1989: "Clusterity" auf "Heiner Stadler - Retrospektion", NDR-Bigband, Tomato
- 1988, 1989: Chet Baker - My favorite Songs, NDR-Bigband, Radiophilharmonie Hannover, Enja Records, Vol.I 1988, Vol.II
und zahlreiche CD's mit NDR-Bigband
Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 19. 11. 2024): Biografie Dieter Glawischnig. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/54564 (Abrufdatum: 21. 11. 2024).